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solche, die ihre Wirkung erst in der Zukunft tun können. Allen gemeinsam ist dieser Grundgedanke: wir wollen hier keine großen europäischen Beteuerungen von uns geben, wir wollen uns nicht mit Proklamationen begnügen, sondern wir wollen das hier und jetzt Mögliche, das nötigenfalls ohne Gegenseitigkeit Mögliche, tun, um Europa zu verändern, um Europa in Richtung auf mehr Einheit zu verändern, auf eine Einheit, die der Mehrung der Freiheit und des Wohlstandes der europäischen Völker dienen wird. (Allgemeiner Beifall.) Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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vorschwebt — vom Angehörigen seines Staates zu einem Europäer —, von Bedeutung, und wir sollten ihnen unsere Aufmerksamkeit nicht versagen. Auch das Paßwesen und die Zollgesetzgebung gehören in diesen Rahmen. Ein weiteres Wort ist, glaube ich, zu dem umfangreichen wirtschaftlichen Programm notwendig, das aus einigen der Anträge zu Ihnen spricht. Einer der leitenden Herren der Montanunion hat einmal den Zweck der ganzen Montanunion in Luxemburg dahin zusammengefaßt: eine fünfprozentige Hebung des Lebensstandards in den Montanunionsländern in jedem Jahre. Das ist ein sehr konkret
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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etwas anderes als die Steigerung der Lebenshaltung; aber sie stehen in enger Beziehung zueinander. Ohne eine Steigerung der Produktivität gibt es keine Steigerung der Lebenshaltung. Warum ist eigentlich von dem gemeinsamen Markt soviel die Rede? Ich glaube, wir sollten uns das bei einer solchen Diskussion doch noch einmal vor Augen führen. Was uns dabei vorschwebt, ist eigentlich immer das Gebiet der Vereinigten Staaten von Amerika mit seinem ungeheuren Umfang, mit seinen natürlichen Schätzen und mit seiner sehr großen Einwohnerzahl. Daß die
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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Mittel des Bundeshaushalts herangezogen werden können. Zwischen dem ERP-Sondervermögen, also dem, was wir als Marshallplanhilfe bekommen haben — im breiten Sinn gesprochen —, und den europäischen Belangen besteht ein sehr enger Zusammenhang. In dem Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit vom 15. Dezember 1949, das die Basis für das ERP-Sondervermögen bildet, ist ausdrücklich gesagt, daß die Regierung der Bundesrepublik Deutschland der Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit, die auf Grund der am 16. April 1948 in Paris unterzeichneten Konvention über europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit gebildet wurde, als
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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darum denken, die in der Entschließung 87 der Beratenden Versammlung ausgesprochenen Grundsätze seien damit gegenstandslos geworden und verdienten nur, in den Papierkorb der Weltgeschichte geworfen zu werden. Dem ist aber nicht so. Die Erklärung 87 enthält ein ganzes politisches Programm, das über die jeweiligen Wechselfälle der Zeit hinaus Gültigkeit behält, bis es endlich einmal zum Friedensschluß im Kalten Krieg gekommen sein wird. Man könnte vielleicht sagen, daß es zum mindesten einige der wichtigsten Voraussetzungen einer jeden möglichen Friedenspolitik in einer Welt
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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vielleicht sagen, daß es zum mindesten einige der wichtigsten Voraussetzungen einer jeden möglichen Friedenspolitik in einer Welt, die wie die unsere in zwei Blöcke aufgeteilt ist, aufstellt. In dieser Erklärung hat die Beratende Versammlung — und ich möchte betonen, daß ihr das zur Ehre gereicht — mit einer Reihe von Dogmen gebrochen, die jahrelang die Grundlage der politischen Äußerungen der Mehrheit der Beratenden Versammlung gewesen waren, als da sind der Glaube, es genüge, Europa selbst zu einer Militärmacht zu machen, um die Welt
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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bisher als Funktion der Fakten, man durchdenkt sie besser und nähert sich so bestimmten Vorstellungen an, von denen man früher sagte, daß sie nur verneinende Kritik enthielten. Es ist in Straßburg klargeworden — und das ist gut so —, daß das Wort, das Cavour einmal in die Geburtswehen Italiens hineinrief: „Italia farà da se — Italien wird sich selber schaffen", für Europa nicht gelten kann. Man hat erkannt, daß Europa nicht aus sich selbst heraus und durch sich allein gemacht werden kann, sondern daß
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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unter Festigkeit nicht Phantasielosigkeit verstehen; man sollte darunter den Willen verstehen, sein politisches Vermögen zu immer neuen Initiativen einzusetzen. Die Wachsamkeit darf nicht die des Kettenhundes sein, sondern sollte eher der des Geburtshelfers gleichen, der sich bereit hält, dem Neuen, das entstehen will, die nötigen Hilfen zu geben. (Sehr gut! bei der SPD.) Wir begrüßen es auch, wenn in der Resolution davon gesprochen wird, daß die europäische Solidarität nicht gelockert werden soll. Ja, wir möchten, daß sie immer mehr verstärkt werde
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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nicht gelockert werden soll. Ja, wir möchten, daß sie immer mehr verstärkt werde. Aber Erhaltung und Verstärkung der europäischen Solidarität schließen doch nicht aus, daß bestehende politische Vertragssysteme durch bessere ersetzt werden, wenn sie uns eher dem Ziele zuführen können, das doch unser aller gemeinsames Ziel ist. Wenn wir von Solidarität sprechen, sollten wir eines nicht vergessen: Demokratie verpflichtet zu Solidarität über die Grenzen hinweg. Man hat — die Herren Berichterstatter haben es getan — von den „unterentwickelten Gebieten" in Europa gesprochen. Ich
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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ein nur ökonomisches Problem betrachten, wir sollten darin eine der großen Aufgaben und Verpflichtungen gerade des Europäertums in uns sehen. Ich werte als eine der wichtigsten Feststellungen der Resolution den Satz, daß kein Abkommen mit der Sowjetunion getroffen werden dürfe, das die Wiedervereinigung Deutschlands nicht einbeschließt, also daß es keine Einigung der Großen auf der Grundlage des Status quo in Deutschland geben dürfe. Konsequenterweise wird weiter festgestellt, daß die Wiedervereinigungspolitik und die Sicherheitspolitik parallel nebeneinander geführt werden müßten und daß dabei
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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und die Sowjetunion wird nicht zulassen, daß ein wiedervereinigtes Deutschland Teil eines atlantischen Machtblockes wird, den sie als gegen sich gerichtet betrachtet. Die Lösung kann nicht die Neutralisierung Deutschlands sein, sondern die Lösung kann nur die Schaffung eines Sicherheitssystems sein, das allen Beteiligten Sicherheit gibt und jedem Partner dieses Vertragssystems die Funktionen zuordnet, die er bei der Aufrechterhaltung der eigenen Sicherheit und der Sicherheit der anderen auszuüben hat. Dabei können diese Funktionen durchaus verschieden sein. Sie brauchen weder qualitativ noch quantitativ
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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nationalen Existenz geben wollen, mit anderen Worten, daß man den Völkern freie Wahlen gestattet. (Beifall bei der SPD. — Sehr richtig! rechts.) Dafür muß eine allgemein anerkannte Ordnung gefunden werden, und diese Ordnung muß gesichert werden durch ein System kollektiver Sicherheit, das ohne Abrüstung nicht funktionieren kann; ich habe schon ausgeführt, warum. Hier kann man ernsthaft nur verhandeln, wenn man bereit ist, in die Verhandlung gerade die Dinge hineinzunehmen, die den Konflikt schaffen und die Trennung herbeiführen. Es hat keinen Sinn, zu
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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Herstellung atomarer Energie geäußert hat. In dieser Resolution wird auch die Schaffung eines gemeinsamen Marktes empfohlen. Darin ist der Erkenntnis Ausdruck gegeben, daß eine optimale Ausweitung der europäischen Wirtschaft nur möglich ist durch ein gemeinsames Vorgehen auf dem neuen Gebiet, das allen Staaten die Möglichkeit gibt, die atomare Energie für industrielle Bestrebungen zu nutzen. Außerdem empfiehlt diese Resolution die Errichtung einer europäischen Energiekommission und bezeichnet deren Errichtung als dringlich. Auf der Grundlage dieser Resolution haben sich im Januar dieses Jahres politisch
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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Ausnutzung der atomaren Energie einen wesentlichen Beitrag für die Entspannung der politischen Atmosphäre in der Welt leisten wird! (Beifall bei der SPD.) Ich bin der Meinung, daß dieser Verzicht ein sehr wirksames Mittel wäre, um etwas von dem Mißtrauen abzubauen, das alle Dinge auf dieser Welt vergiftet. Und ich glaube an den Nutzen eines Bekenntnisses, daß nicht alles, was für den Krieg tauglich ist, auch für den Krieg bereitgestellt werden muß! Wenn Europa selber atomare Waffen herstellt, wird die eine oder
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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gesprochen hat, als wir nach Straßburg gehen sollten. Aber es hat sich in Straßburg einiges geändert. Es herrscht dort heute ein realistischerer Geist, ein offenerer Geist als in dem Jahre, da man uns aufgefordert hat, dem Europarat beizutreten. Mit vielem, das in den letzten Jahren geschaffen wurde, ist man aus dem Bereich der Illusionen und der Dogmen herausgetreten, ist man auch herausgetreten aus dem Bereich der Deklamationen. Mit der Annahme der Resolutionen, die uns vorgelegt worden sind, verlassen wir das bloße
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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der Annahme der Resolutionen, die uns vorgelegt worden sind, verlassen wir das bloße Projekteschmieden und machen wir uns ans Bauen, ans Bauen nicht mit Stoffen, die uns in den Händen zerrinnen könnten, nein, diesmal mit Stoffen, die fest genug sind, das Fundament für Europa zu mauern. Und hier sollten wir alle zufassen! (Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.) Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Meine Damen und Herren, Sie haben die Einbringung und Begründung der Anträge unter Ziffer 1 gehört
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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abgegeben wurde, so daß das, was ich nun zu sagen habe, etwas Ähnliches in meiner Position darstellen wird. Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Das ist ganz sinngemäß und richtig. Wenn wir schon ein so ungewöhnliches Verfahren einschlagen — das aber in Anbetracht der Fülle von 28 Anträgen und Gesetzentwürfen notwendig geworden ist —, dann muß natürlich das, was dem einen recht ist, dem andern billig sein. Insofern bestehen ganz sicher von seiten des Hauses keine Bedenken dagegen, wenn der Herr
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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glauben — wie etwa Herr Spinelli —, man könne durch einen Sturm — wie er sich ausdrückte — „des europäischen Volkes auf die Bastionen der Nationalstaaten" die europäische Sache weitertragen. Ich will Herrn Spinelli nicht korrigieren; aber ich glaube doch, daß es besser ist, das Problem nüchtern zu sehen und erst einmal dafür zu sorgen, daß die europäischen Völker — den s i e gibt es und leider noch kein europäisches Volk — sich für die europäische Sache bereit machen. Gewiß, es gibt auf der anderen Seite
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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auf Europa übertragen und sauen, der Mautner. der Zöllner — nichts gegen unsere braven Zollbeamten selbst! — sei der schlimmste Feind der Europäer. Wir haben ein Bündel von Drucksachen vorliegen, die heute von diesem Hohen Hause entschieden werden sollen. Zu diesem Bündel, das eine außerordentlich wertvolle Arbeit von Mitgliedern der Beratenden Versammlung des Europarates darstellt, hat sich die Drucksache 2151 gesellt, die uns, wohl etwas unversehens, in eine kleine außenpolitische und gesamtdeutsche Debatte hineingeleitet hat. Aber da nun einmal diese Drucksache mit dabei
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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politischen Denkens der öffentlichen Meinung Europas dar. Nach meiner Auffassung hat kein Bruch mit veralteten Dogmen stattgefunden. Deswegen glaube ich auch, Ihre Bemerkungen darüber, daß nunmehr ein realistischerer Geist im Europarat eingekehrt sei und daß man infolgedessen das alte Mißtrauen, das die sozialdemokratische Fraktion dem Europarat gegenüber gezeigt habe, nun nicht mehr zu zeigen brauche, auf meine Weise verstehen zu dürfen. Man hätte vielleicht auch sagen können: Ihr von der CDU und von den anderen Parteien habt seinerzeit stürmisch unseren Eintritt
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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einzelnen Nationalstaaten hinter trennenden Grenzwällen als furchtbare Warnung entgegen. Die Politik der aus eifersüchtigem Machtstreben geborenen gegenseitigen Absperrungen ist im Kulturellen und Wirtschaftlichen nichts anderes als ein Programm der künstlichen Selbstverarmung der europäischen Völker, die, wenn sie wieder Platz griffe, das Elend und die permanente Krise zur Katastrophe der europäischen Staaten verdichten müßte, zur Katastrophe von Staaten, die in der heutigen weltpolitischen Sicht nur Kleinstaaten sind gegenüber der Kraft der kontinentalen Riesenräume, über die die USA und die Sowjetunion verfügen. Die
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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Raums in Europa nur sichergestellt ist, wenn die europäischen Völker selbst ihre Kraft für diesen Zweck vereinen und gemeinsam einsetzen, sollte eine unantastbare Grundwahrheit bleiben. Wer sie verleugnet, der steckt tiefer, als er sich eingestehen will, in einem parasitären Denken, das von anderen kostspielige Anstrengungen erwartet, deren man im Vertrauen auf diese anderen selbst enthoben sein möchte. Dabei wird verkannt — und wir stehen immer wieder in der Gefahr dieses Verkennens —, daß ein Volk wie das amerikanische nicht allein die Schutzwehraufgabe für
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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Er möchte mit der Vollziehung der Aufstellung deutscher Divisionen erneut zuwarten. Ich darf doch die Frage stellen: wieviel Truppen haben wir eigentlich aufgestellt? Besteht eigentlich in näherer Zeit die Gefahr, daß wir bei unseren Defensivmaßnahmen jenes Maß erreichen oder überschreiten, das bei internationalen Abrüstungsabreden für uns gesetzt werden könnte? Wir haben jetzt 6000 Mann gegenüber den fast 300 000, die in Ostdeutschland stehen. Wir erleben alle Tage, daß im sowjetisch besetzten Bereich Bürgerwehren aufgestellt und bewaffnet werden. Sollen wir warten, die
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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dazwischenrufen, werde ich mich nicht hindern lassen, unsere Überzeugung sehr deutlich auszusprechen, indem ich sage: Es bleibt das Ruhmesblatt der Koalition, der die Demokratische Arbeitsgemeinschaft angehört und deren Arbeit wir weiterhin nach unserer besten Überzeugung mit tragen werden, wie wir das in den vergangenen Jahren getan haben, — es bleibt das Ruhmesblatt der gemeinsamen Politik der Koalitionsparteien, (Zurufe von der SPD: Aufhören! — weitere anhaltende Zurufe von der SPD — Glocke des Präsidenten) daß wir eine Wirtschafts- und Außenpolitik verfolgt haben, die unablässig und
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]
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Antwort auf die vorangegangene Hilfe der westlichen Welt war. Wir setzen uns mit Nachdruck ein für die gradlinige Fortsetzung dieser Außen- und Wirtschaftspolitik der Koalition; denn nur in der Linie dieser Außenpolitik kann ein Europa und ein Deutschland erreicht werden, das ebenso einig wie frei ist. (Beifall bei den Regierungsparteien. — Anhaltende Zurufe von der SPD.) Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gille. Dr. Gille (GB/BHE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir vor einigen Stunden
Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 22.03.1956 () [PBT/W02/00137]